Bosnia 06.04.2012 - 14.04.2012

Freitag und Samstag - Banja Luka

Aufgrund der Osterfeiertage musste sich unsere Reisegruppe auf unterschiedliche Züge verteilen getreu dem Motto „viele Wege führen nach Zagreb“. Ein Minibus brachte uns weiter Richtung bosnische Grenze, wo wir jedoch circa eine Stunde am Übergang warten mussten, bevor die Reise nach Banja Luka weitergehen konnte. Nach der Ankunft begaben wir uns am Ufer des Flusses Vrbas zum gemeinsamen Nachtessen, entsprechend der traditionellen bosnischen Küche sehr schmackhaft (v.a. für lipophil-karnivore Feinschmecker). Anschliessend begaben wir uns ins Jugendzentrum Perpetuum Mobile, um dort den Direktor zu treffen, der uns einen Einblick gab in die Herausforderungen der Jugendarbeit Bosnien-Herzegowinas BiH. Den ersten Tag liessen wir in einer Bar bei eine Runde „Nektar“ (dem lokalen Bier von Banja Luka) ausklingen.

Nach einem Stadtrundgang durch Banja Luka trafen wir uns mit Studierenden zu einem informellen Austausch über die Perspektiven der jungen Generation in der Republika Srpska. Mittags gab uns Dijana Tepsic einen Einblick in die Arbeit des Gender-Centers. Dijana kämpft mit unglaublichem Elan und Herzblut gegen die Geschlechterstereotypen an, welche die traditionelle, partriarchale Gesellschaft immer noch prägen – und das nicht nur am Bürotisch oder im Fernsehen, sondern auch während ihrer Freizeit als DJ.

Bei einem Spaziergang am Fluss konnten wir die viele Eindrücke auf uns wirken lassen, bevor es gleich weiter ging mit einem spannenden Gespräch mit einem Politikwissenschaftler und einer Mitarbeiterin des Jugendministeriums. Die beiden gaben uns einen umfassenden Einblick in die Schwierigkeiten und Herausforderungen der komplizierten bosnischen politischen Institutionen.

Zum Abschluss unseres kurzen Aufenthalts in Banja Luka liessen wir den Abend mit den bosnischen Studierenden, die wir am Morgen kennen gelernt hatten, in einer Bar ausklingen – mit dem gegenseitigen Versprechen, auch nach unserer Rückkehr in die Schweiz in Kontakt zu bleiben.
 

Sonntag - Mostar

Nach der Frühstück-Stärkung mit Brot, Müesli und fettigen Würstchen machten wir uns auf in Richtung Süden, nach Mostar. Vielleicht auch in der Hoffnung, dem regnerischen Wetter in Banja Luka entfliehen zu können. Dieses begleitete uns aber auch noch während unserer Fahrt der Vrbas entlang. Trotzdem genossen wir die schönen Ausblicke auf die Flusslandschaft. Eine riesige Ansammlung an Pet-Flaschen im Fluss bedeutete dann ein untrügliches Indiz dafür, dass wir uns der Grenze zwischen Republika Srbska und der bosnischen Föderation näherten – denn für diese Flaschen fühlt sich offenbar niemand zuständig, und darum räumt sie auch niemand weg... Ein „Natur-Spektakel“ der speziellen Art!

Nach einem kurzen Mittags-Zwischenstopp in Jaice – Wasserfall und Schloss standen zur Besichtigung – ging unsere kurvige Fahrt Richtung Mostar weiter. Bei einigen drehten die Cevapcici-Würstchen im Magen noch ein paar Ehrenrunden, schliesslich kamen aber doch alle wohlbehalten am Ziel an. Die Sonne beglückte uns in Mostar wieder mit reichlich Wärme, durch den heftigen Wind fühlte sich die Temperatur aber besonders am Abend trotzdem eher kühl an. Nach einem kurzen Hostel-Check-in begaben wir uns auf einen Stadtrundgang. Die südländisch angehauchte Altstadt mit ihrem speziellen Flair kontrastiert stark mit den wenig touristischen Bildern Banja Lukas. Auch die vielen Touristen auf der bekannten Brücke von Mostar vermittelten uns ein neues, ungewohntes Bild von Bosnien. Eindrücklich aber natürlich vor allem die vielen übrig gebliebenen Häuser-Ruinen und Einschusslöcher, die Zeugen des blutigen Konfliks darstellen, der vor ziemlich genau zwanzig Jahren ausbrach. Seither ist Mostar eine zwischen Kroaten und Bosniaken geteilte Stadt, in welcher Kirchen und Minarette verbissen um die Vorherrschaft im Stadtbild kämpfen.

Zum Abendessen begaben wir uns dann in eines der vielen touristisch hergerichteten Restaurants der Stadt und probierten uns durch die kulinarischen Höhenflüge Bosniens. Ein Ende fand der Tag dann bei Bier, Baileys oder Wein in einem Cafe.
 

Montag - Mostar

Wohlgenaehrt mit Ruehrei und Šipak auf Weissbrot machen sich die Bosnienreisenden nach einer komplizierten Toiletten- und Duschrochade auf den Weg ins Nansen Dialog Center an der ehemaligen Frontlinie im Zentrum Mostars. Projekt-Koordinator Elvir Đuliman erzaehlt uns vom langwierigen, aber im Kleinen dennoch ertragreichen Prozess der interethnischen Annaeherungen an oeffentlichen Schulen in Mostar und Stolac. Er stellt uns das Konzept der zwei Schulen unter einem Dach vor. Ein nicht ganz unproblematisches Konzept, das zwar die Schueler einander naeher bringen soll, jedoch in Augen vieler anderer eher eine Separation zementiert. Er spricht auch von der Zusammenarbeit mit den oertlichen Behoerden. Diese seien nicht unbedingt kooperativ, aber immerhin blockieren sie die Initiativen und Projekte von Nansen nicht mehr, wie das in den ersten Jahren sehr haeufig geschehen sei. Dies funktioniere nur so lange sich die Nansen-Leute an die bedingungslose Neutralitaet im Dialog mit den verschiedenen ethnischen Gruppen Mostars halte. Bewundernswert ist so auch Elvirs total ehrliche Objektivitaet und sein wertungsfreies Engagement, denn er ist selbst Muslime aus Mostar und hat den Krieg hautnah miterlebt.

Gleich hinter dem Nansen Dialog Center befindet sich das alternative Kultur- und Jugendzentrum Abrašević. Wir treffen Tina Gridž, Initiantin und Koordinatorin dieses Zentrums, das der Jugend Mostars kulturelle Anlaesse wie Filmabende (in Mostar gibt es nach wie vor kein Kino), Konzerte und Theater bietet. Es unterhaelt auch eine der wenigen Bars Bosniens mit leiser Musik. Tina schwaermt von ihrer Vision der ethnischen Durchmischung auch ausserhlab alternativer Kreise und flucht ueber die Stagnation des politischen Lebens in Mostar. Auch sie meint, eine politische Kultur sei in Bosnien schlichtweg nicht vorhanden. Wie ueberall sei die Stadtbevoelkerung von Nationalismen durchdrungen und von den oertlichen Behoerden wird viel zu wenig Raum geboten die ethnische Grenze zu oeffnen.

Hoch über der Neretva, Pause in PociteliNach einer kleinen Mittagspause und einem Spaziergang durch das sonnige Mostar fahren wir nach Počitelj, eine kleine mittelalterliche Stadt, mitten in den Hang gemeisselt. Wir haben Zeit die Burg zu besteigen, rumzutollen und Fotos von der wunderschoenen herzegowinischen Huegel- und Flusslandschaft zu schiessen.
Zum gemeinsamen Abendessen fahren wir weiter nach Blagaja an die Quelle der Buna. Das Derwischkloster unter der riesigen Felswand wird gerade renoviert und ist deshalb nur von der gegenueberliegenden Seite des Flusses zu besichtigen. Der Ort ist schoen und ruhig. Und die gegrillte Forelle befriedigt unsere ewig knurrenden Maegen.  
 

Dienstag - Sarajevo

Als letzter Programmpunkt in Mostar war ein Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern des Studirats der kroatischen Uni geplant. Kurzfristig luden diese auch noch ihren Professor ein, der uns eine Kurzvorlesung zur geteilten Stadt Mostar und der europäischen Perspektive Bosniens hielt.
Ueber kurvenreiche Strassen gings dann weiter nach Sarajevo, wo wir als erstes das Tunnel-Museum besuchten – ein Abschnitt des Versorgungs- und Fluchttunnels, der während der Belagerung Sarajevo mit der Aussenwelt verband. Gleich im Anschluss wurden wir vom Direktor des Instituts KULT empfangen, einer Organisation, welche sowohl auf politischer Ebene als auch mit konkreten Projekten in der Jugendarbeit tätig ist. Unter anderem hat KULT ein Jugendgesetz initiiert, derzeit erarbeiten sie ein Ehrenamtsgesetz.
Nachdem wir im Stadtzentrum einige Zusatzrunden gedreht hatten, um die Seitengasse mit unserem Hostel zu finden, checkten wir später als geplant ein, schlangen noch rasch unser Essen hinunter, bevor es gleich mit dem nächsten spannenden Treffen weiterging. Zwei Mitarbeitende von CRS erzählten uns von ihrer Arbeit zur Versöhnungs- und Friedensarbeit in Bosnien. Im Gegensatz zum Direktor von KULT, der uns nachmittags gesagt hatte, man müsse die Vergangenheit jetzt ruhen lassen und nach vorne schauen, zeigten sich die Beiden überzeugt, dass Bosnien nur mit der Aufarbeitung des Krieges eine Zukunft hat.

 

 

 

 

 

Mittwoch - Sarajevo

Unser erster Tag in Sarajevo stand im Thema der internationalen Kooperation. Nach dem Frühstück erwartete uns der Schweizer Botschafter und präsentierte das breite Schweizerische Engagement in Bosnien (SECO- und DEZA-Schwerpunktland). Wir hatten Gelegenheit, ihn mit einer Vielzahl von Fragen einzudecken. Kaum fertig, wurden wir von der EU-Delegation in ihrem riesigen Glaspalast empfangen. Der Weg Bosniens – hier sind sich die verschiedenen Ethnien ausnahmsweise einig – soll in die EU führen. Diese erwartet vom Land jedoch noch einige institutionelle Reformen, wie uns die Dame deutlich machte. Neben Kroatien sind auch Serbien und Montenegro im Assoziationsprozess schon weiter fortgeschritten. Am Nachmittag nutzten zwei Reiseteilnehmer die Möglichkeit, etwas ausserhalb von Sarajevo ein Trainingszentrum für Minenhunde zu besuchen. Als trauriges Erbe des Krieges sind noch grosse Teile Bosniens vermint, besonders entlang der ehemaligen Frontlinien. Bis 2019 sollten die Minen beseitigt sein, was gemäss den Verantwortlichen des Zentrums aber schwer erreichbar sein wird. Die Minenhunde sind jedenfalls hochmotiviert und fleissig am Trainieren. Das Gros der Gruppe legte währenddessen eine längere Pause ein und erkundete die Stadt. Am späteren Nachmittag trafen sich alle bei Transparency International, um sich über die Korruption in Bosnien zu informieren. Positiv aufgefallen ist eigentlich nur, dass im Kosovo die Situation noch schlimmer ist. Viele Jobs sind unmöglich zu bekommen, wenn man nicht dafür bezahlt oder politische Verbindungen pflegt. Der sehr lehrreiche Tag wurde durch ein exzellentes Essen in einem schmucken bosnischen Restaurant abgerundet.
 

Donnerstag - Bjelasnica

Der heutige Tag stand ganz unter dem Motto „Tourismus in Bosnien“ und beinhaltete ein Treffen im Büro von Green Visions sowie eine Wanderung auf dem olympischen Berg Bjelasnica. Beim Meeting mit Green Visions erzählte uns Jiri – einer der Inhaber dieses Outdoor-Tourismusanbieters – einerseits von der Entstehung seiner Firma sowie von den Schwierigkeiten in Bosnien und Herzegowina eine profitable Tourismusindustrie aufzubauen und war andererseits dazu bereit, unsere zahlreichen Fragen zu beantworten.

Jiri kam in den 1990er-Jahren als Volunteer für ein Refugee-Camp nach Bosnien. Dabei haben er und drei weitere passionierte Wanderer schnell das Potential vom Reiseland Bosnien entdeckt. Im Jahr 2000 gründeten die vier deshalb Green Visions. Anfangs wurden nur kurze Wander-Trips an den Wochenenden angeboten. Mittlerweile umfasst das Angebot jedoch auch mehrtägige Trekking-Touren, Kultur-Trips und Stadtbesichtigungen, Mountainbike-Rides, Rafting und Schneeschuhtouren unter dem Motto „Bosnia-Herzegovina – Don’t tell your mother until you’re back home“ und „Bosnia-Herzegowina – Brave enough“. Nach 12 Jahren ist Green Visions immer noch die einzige Firma welche in Bosnien und Herzegowina Trekking-Touren anbietet. Unter dem Dach der Adventure Tourism Association (ATA), welche von Green Visions und acht anderen Tourismus-Anbietern gegründet wurde, treibt Green Visions zudem die Entwicklung der Tourismusindustrie in Bosnien voran, indem es Bosnien als Outdoor-Destination promotet. Dabei spielt der „Responsible Tourism“ eine grosse Rolle, da Green Visions die lokale Bevölkerung jeweils in seine Projekte einbezieht.

Am Nachmittag stand eigentlich eine Schneeschuhtour auf dem Programm, welche aufgrund des fehlenden Schnees jedoch abgesagt wurde. Stattdessen unternahmen wir mit unserem Green Visions-Guide Samer eine Wanderung auf dem olympischen Berg Bjelasnica. Dabei assen wir bei einem bosnischen Ehepaar zu Mittag und erlebten anschliessend die überwältigende und von Touristen noch weitaus unentdeckte Bergwelt Bosniens.

Freitag - Srebrenica

Srebrenica:.früher prosperierender bosnischer Ort- heute Synonym für den schlimmsten Völkermord nach dem zweiten Weltkrieg. Mehr als 8 000 Menschenleben fielen hier im Juli1995 einem Verbrechen zum Opfer, viele von ihnen werden noch immer vermisst. Nach 7 Tagen vielfältiger Treffen und Eindrücke hinsichtlich der Zukunft von Bosnien und Herzegowina und seinen Menschen führte uns der letzte Tag unserer Reise so in ein dunkles Kapitel der Vergangenheit dieses Landes.

Assan, Mitarbeiter im Srebrenica Memorial- Center und Überlebender des Massakers führte uns durch die Gedenkstätte und ermöglichte uns als Zeitzeuge einen Einblick in die Ereignisse der Jahre 1993 bis 1995. Dabei betonte er, dass es für die Hinterbliebenen sehr wichtig sei ihre noch vermissten Angehörigen zu finden und zu identifizieren, um ihre Vergangenheit verarbeiten zu können. Um eine solche Vergangenheitsverarbeitung zu ermöglichen, spiele zudem das zur Strafe ziehen der Verantwortlichen für das Massaker eine große Rolle, erklärte Assan. Ohne die Gewissheit, was mit den eigenen Familienmitgliedern geschehen sei und ohne dass die Verantwortlichen für ihre Taten verurteilt werden, scheint eine Verarbeitung oder gar Vergebung dieses Verbrechens nicht möglich.

Ein kleiner Trost war, dass Assan uns einige diese komplexen Probleme unter der „offenen Moschee“ der Gedenkstätte erklärte, einem Ort, der extra so konzipiert worden sei um Menschen allen Glaubens die Trauer um das Geschehene zu ermöglichen.